Empfehlungen

Empfehlungen

Fausto

Louise Bertin

27.01.2024

Aalto-Theater Essen

Die frühromantische französische Komponistin Loise Bertin wurde zu ihrer Zeit sogar ab und an auf der Opernbühne aufgeführt, was für Frauen ihrer Zeit selten war. Das Essener Aalto-Theater bringt nicht nur die deutlich verspätete Deutsche Erstaufführung des Werkes, sondern gibt ein gutes Beispiel dafür, vergessene Autoren, die es wert sind, wieder aufgeführt zu werden, wieder auf den Spielplan zu bringen. Die Essener Oper bringt zudem ein wichtiges Beispiel dafür, wie Goethes „Faust“ in Frankreich rezipiert wird. Es bleibt zu hoffen, daß das Aalto mit dieser Produktion Erfolg haben wird und daß sich das Bemühen des Theaters, zu Unrecht vergessene Komponistinnen wieder auf die Bühne zu bringen, für das Haus auszahlen wird.

Guardini Weiterdenken II

Schriftenreihe des Forum Guardini

ISBN 3-9804978-2-2

Romano Guardini gehört zu den entscheidenden Theologen des mittleren 20. Jahrhunderts.  Zu seinen Leistungen gehört die Offenheit anderen Religionen gegenüber, das Kennenlernen des Fremden, um es zu verstehen, in Kenntnis des Eigenen. Die Guardini-Stiftung geht in Verbindung mit der von ihr finanzierten Guardini-Stiftungsprofessur an der Humboldt-Universität der Frage nach, wie man die Theologie Guardinis auf das 21. Jahrhundert übertragen kann, wie man da weiter denken kann.

„Joyland“

Regie Saim Sadiq

Der Film erzählt die Geschichte des atypischen pakistanischen Familienvaters Haider.  Dieser ist nicht, wie von ihm verlang berufstätig, sondern sorgt für seine Familie und dafür, daß seine Frau arbeiten kann. Als er endlich eine Arbeit findet, verliebt er sich in einen Transvestiten, was zu erheblichen Problemen führt. Alle Figuren zeichnen sich durch eine sehr subtile Darstellungsweise aber auch Personenzeichnung fernab jeglicher Schwarz-Weis-Zeichnungen oder Klischees aus, wie auch die Handlungsführung immer differenziert bleibt. Der Film ist ein gutes Beispiel dafür, daß das aktuelle Kino Pakistans sehr sehenswerte Filme produziert, aber auch, daß die aktuelle Gesellschaft des Landes erfrischend vielfältig ist. Der Film ist gleichermaßen ein gutes Beispiel dafür, daß es „den“ Islam nicht gibt, sondern er in eine Unzahl von Einzelströmungen zerfällt, was auch bedeutet, daß man auf pauschale Verurteilungen dieser Religionsgemeinschaft dringend verzichten sollte, sondern sie in ihrer kompletten Bandbreite aber auch ihren Vorzügen wahrnehmen sollte. Es steht zu hoffen, daß die Republik Indien bald einen ähnlich differenzierten und sehenswerten Film über ihre muslimische Bevölkerung dreht, um endlich von pauschalen Vorabverurteilungen Abstand zu nehmen.

„Das Gewaltigste, was ich je auf der Orgel gehört habe“

Franz Liszts „Ad Nos“ als Tor zur Wiederentdeckung einer verborgenen Aufführungspraxis des 19. Jahrhundert

von Bernhard Ruchti

ISBN 978-3-8260-7242-0

Franz Liszt hat Zeit seines Lebens Bearbeitungen zu Stücken anderer Komponisten geschrieben, Werke, die einen breiten Anteil an seinem kompositorischen Euvre haben. Bernhard Ruchti beschäftigt sich in seiner Monographie der Bearbeitung, die Liszt Meyerbeers Oper „Le Prophete“ und insbesondere dem so genannten Wiedertäuferchoral gewidmet hat. Interessant ist diese Monographie insofern, als dass man häufig vergisst, dass die kompositorische Beschäftigung Liszts mit Meyerbeer aber auch Liszts Einsatz, Meyerbeer in Weimar aufzuführen, dem Einsatz dieses Komponisten für Wagner durchaus gleichberechtigt sind, Liszt beschäftigte sich mit Meyerbeer ebenso ausführlich, wie mit Wagner. Insofern ist es auch nur stringent, wenn Ruchti nicht nur Bezüge zwischen diesem Werk und Wagners Opern, konkret „Lohengrin“, sondern auch zu Wagners theoretischen Schriften, konkret Wagners Aufsatz „Über das Dirigieren“ zieht. Dieser Autor bestätigt damit den von Wagner leider geleugneten Einfluss, den Meyerbeer auf den jüngeren Komponisten hatte – alleine schon ein Grund, das Buch zu lesen. Interessant sind aber auch Ruchtis Ausführungen zur Aufführungsgeschichte von Liszts Werk aber auch dessen Analyse. Ruchti lenkt zudem durch viele Quellen gestützt das Augenmerk auf einen lange Zeit zu Unrecht vernachlässigten Teil in Liszt´s kompositorischem Schaffen. Das Buch ist also unbedingt lesenswert.

„Die Mörder sitzen in der Oper“

Erkundungen zu einer unzeitgemäßen Kunstform

von Stefan Zednik

ISBN 978-3-96599-418-9

Opern sind nie außerhalb der gesellschaftlichen Zusammenhänge komponiert worden, in denen sie entstanden sind, sie sind nie außerhalb der gesellschaftlichen Zusammenhänge aufgeführt worden, in denen sie entstanden sind. Stefan Zednik geht in seinem Buch „Die Mörder sitzen in der Oper, genau dieser Frage nach, unter welchen gesellschaftlichen aber auch künstlerischen Bedingungen Opern entstehen und aufgeführt werden. So beschreibt er bezüglich einer Aufführung von Mozarts „Zauberflöte“ in Anwesenheit des Schahs die Parallelität der Vorgänge in der Deutschen Oper Berlin und der Ermordung Benno Ohnsorgs bei Protesten vor dem Hause, stellt anhand Wagners „Parsifal“ die Frage nach der Diktatur der Kunst oder beschäftigt sich anhand Verdis „Aida“ mit dem Sinn und Unsinn des modernen Regietheaters, nur, um einige Kapitel des Buches zu zitieren. Der Autor widmet sich in jedem Kapitel einem anderen Aspekt des Repertoires. Zednik schreibt sehr flüssig und lesenswert, dabei auch sehr detailreich und faktenbasiert. So vergleicht er im Kapitel zur „Zauberflöte“ genau die Vorgänge vor dem Haus mit denen im Haus und kommt dabei zu interessanten neuen Schlussfolgerungen auch über das Werk und vergisst dabei nicht, auf die Probleme einzugehen, die die Organisation eines Staatsaktes mit sich bringt. Das Buch ist unbedingt lesenswert, will man sich mit der Entstehung und der Aufführung von Opern beschäftigen.

Museu Europeu d´Art Moderne Barcelona

Si volse a retro

Das Museu Europeu d´Art Moderne in Barcelona zeichnet sich durch eine erlesene Dauerausstellung aus, die eine exquisite Sammlung europäischer Kunst präsentiert. Das Museum zeigt damit, daß Barcelona kulturinteressierten Menschen mehr zu bieten hat, als nur das Picasso-Museum, zeigt doch auch dieses Museum Werke, die einen ungewohnten und neuen Blick auf die Phänomene unserer Zeit ermöglichen. Dazu kommt bis einschließlich Juni die durchaus sehenswerte Sonderausstellung Si Volse a Retro, Divina Comedia/ Inferno. Sie umfaßt Werke des Bildhauers Grzegorz Gwiazda und des Malers Jordi Diaz Alamá, die sich künstlerisch mit Dantes Inferno auseinandersetzen. Beide Künstler schaffen es, die ausgewählten Ausgangstexte mit Mitteln der bildenden Kunst in´s 21. Jahrhundert zu transformieren. Sie setzen dabei durchaus eigene Akzente und interpretieren den Ausgangstext neu. Die Bilder zeichnen sich durch einen klaren Bildaufbau und klar akzentuierte Farbgebung aus, die gerade aufgrund ihrer Einfachheit ansprechend ist. Daher sollte man sich diese Ausstellung, wenn man in Barcelona ist, unbedingt ansehen.

3. Barther Bibliotheksgespräche

Joachim Stüben, Falk Eisermann, Hg.,

Die kleine aber feine Kirchenbibliothek Barth in Mecklenburg-Vorpommern, die eine unerwartet hohe Anzahl von wertvollen Inkunablen und Handschriften besitzt, und zu dem größten noch geschlossenen Kirchenbibliotheken Deutschlands gehört, veranstaltet regelmäßig so genannte Barther Bibliotheksgespräche.  Ziel dieser Gespräche ist es, die neuesten Forschungen anerkannter Wissenschaftler zu dem Thema einer breiten Öffentlichkeit zu Verfügung zu stellen und die Bestände sukzessive aufzuarbeiten. Daher werden die Tagungen auch durch Tagungsbände ergänzt.

 

Die 2017 veranstalteten dritten Barther Bibliothekstage widmen sich datumsbedingt natürlich der Reformation und ihrem 500-jährigen Jubiläum und den Auswirkungen auf die Bibliothek, ohne sich auf diesen Bereich zu beschränken. Der Band beschäftigt sich zusätzlich mit der mecklenburgischen und vorpommernschen Kirchenordnung und deren Auswirkung auf die protestantische Bildungs- und Bibliotheksgeschichte, Makulaturen als buchhistorische Ressource, aber auch den Inschriften der Barther Marienkirche, die spätmittelalterlichen Marienwallfahrten nach Krenz aber auch der arabischen Astronomie in der Reformationszeit.  Die Artikel wenden sich dem Anspruch der Tage entsprechend zwar primär an ein wissenschaftliches Publikum, sind aber auch von interessierten Laien gut lesbar.  Sie bilden einen guten Beitrag für die Regionalgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns, bieten aber auch gute Informationen über die Regionalgeschichte hinaus. Auch erinnert der Band an den wichtigen jüdischen und auch arabischen Einfluss auf das Christentum. Insofern ist dieser Band wie alle Bände der Bibliothekstage für alle Interessierte zu empfehlen.

Dekalog

Guardini-Stiftung

ISBN 9783451577860

Der von Ludger Hagedorn und Mariola Levandowska herausgegebene Sammelband „Dekalog“,  der von der Guardini-Stiftung herausgegeben wurde, faßt ein von 2012 bis 2017 laufendes Projekt der Stiftung zusammen. Er enthält verschiedenste Artikel, die sich mit einer zeitgemäßen und kritischen Auslegung der 10 Gebote in der Lesart Martin Luthers auseinandersetzen. Ziel ist es, einen überkonfessionellen und differenzierten Beitrag zum Reformationsjubiläum 2017 zu geben, der verschiedene Ansätze, künstlerische, literarische, wissenschaftliche vereint. Neben einer guten theoretischen Einleitung enthält der Band zu allen Geboten zwei Artikel, so daß unterschiedliche Ansätze dargestellt werden. Alle Artikel sind gut lesbar und bieten eine vielfältige Herangehensweise an dieses Thema. Mit diesem Band verfolgt die Guardini-Stiftung ihren Anspruch, sich mit den verschiedenen Kirchen und religiösen Richtungen auseinanderzusetzen, weiter.

Rossini und seine Zeit

Arnold Jacobshagen

ISBN 97838900707

In der Reihe „Komponisten und ihre Zeit“ stellt der Laaber-Verlag die Biographien bekannter Komponisten vor. Die einzelnen Komponisten werden nicht nur in ihren Werken vorgestellt, sondern auch in ihren zeithistorischen Kontext gestellt. Dabei werden, heute selbstverständlich, Aspekte der Musikgeschichte mit Aspekten der Musiksoziologie gemischt, da Werke immer Teil der Zeit sind, in denen sie geschrieben werden, und musikalische Veränderungen immer auch Spiegel der allgemeingesellschaftlichen Veränderungen sind.. Die Reihe wendet sich zwar überwiegend an Musikwissenschaftler, ist aber auch für Laien lesbar. Die Reihe gibt dabei zuerst einen kurzen Überblick über die wichtigsten biographischen Daten, um dann en detail auf die Biographie des jeweiligen Künstlers einzugehen.

 

Der Band „Rossini und seine Zeit“ von Arnold Jacobshagen beschäftigt sich mit einem Komponisten, der zwar für seine komischen Opern italienischer Prägung, den so genannten operae buffae, bekannt geworden ist,, dessen Euvre aber wesentlich breiter ist. So gilt Rossini, der in Paris begraben ist, als Erfinder der typisch französischen grand opera, der wichtigsten französischen Operngattung des 19. Jahrhunderts, für die auch Verdi wie Wagner geschrieben haben. Jacobshagen geht dieser Gattungsüberschneidung bei Rossini genau so nach, wie der Frage, wieso sich Paris zu der europäischen Musikmetropole des 19. Jahrhunderts entwickelt hat. Daß Rossini wie alle Komponisten dieser Zeit einen starken Bezug nach Paris hatte und von dieser Stadt stark beeinflußt wurde, wird von Jacobshagen ausgeführt und ist ein gutes Beispiel dafür, daß der Begriff der nationalen Schule, wie er im 19. Jahrhundert aufkam, musikalisch nicht haltbar ist. Daß Jacobshagen sich nicht nur auf die Analyse einzelner Werke beschränkt, sondern diese in den allgemeingeschichtlichen Bezug der Zeit stellt, gehört zu den Stärken der Reihe wie des Buches.

Richard Strauss und seine Zeit

Michael Walter

ISBN 9783921518847

In der Reihe „Komponisten und ihre Zeit“ stellt Michael Walters Band zu Richard Strauss einen Vorgängerband zu „Rossini und seine Zeit“ dar. Der Reihe entsprechend gibt es zuerst ausführliche biographische Daten, die auch das soziale wie kulturelle Umfeld von Strauss berücksichtigen.

 

Walter beschäftigt sich in dieser Monographie der Anlage der Reihe entsprechend selbstverständlich nicht nur mit den Werken Strauss´, sondern geht entscheidend auf die Tätigkeiten des Komponisten als Dirigent und als Intendant in Berlin und Wien ein, Tätigkeiten, die untrennbar mit Strauss´ Wirken als Komponist zusammenhängen, dienten sie doch dazu, die eigenen Werke populärer zu machen. Bei seiner politischen Einschätzung differenziert Walter sehr wohl zwischen den verschiedenen politischen Strömungen, wie man an der Tatsache bemerkt, daß er Strauss zwar zu Recht in einen royalistischen und damit antidemokratischen Kontext stellt, er die Strausssche Mitarbeit im dritten Reich aber nicht durch dessen ideologischen Nähe zu den Nazis begründet, sondern mit seiner royalistischen Haltung und der von vielen andere Komponisten auch geteilten Hoffnung, die Aufführungszahlen zu steigern, die in der Weimarer Republik zurückgingen. Auch auf Strauss  Betätigung als Intendant und die Schwierigkeiten, die dort aufgrund seiner politischen Ansichten auftraten, geht dieser Autor ein. Gleichzeitig führt Walter aus, daß Strauss musikalisch nicht strikt als der Konservative zu gelten hat, als der er immer gesehen wird, sondern durchaus einiges zur musikalischen Entwicklung beigetragen hat. Neben der Beschäftigung mit Strauss werden somit viele (kultur-) politische Informationen gegeben. Wie alle Bände dieser Reihe ist auch dieser für Laien gut lesbar.

„Der hebräische Kunstgeschmack“
Lüge und Wahrhaftigkeit in der deutsch-jüdischen Musikkultur

Melanie Kleinschmidt

ISBN 9784317224908

Die Forschungsliteratur zu Richard Wagner differenziert sich in den letzten Jahren nicht nur auf breiter Ebene aus, sondern beschäftigt sich zunehmend mit den Schattenseiten dieses Komponisten, aber auch der Tatsache, daß er nichts weniger als ein deutscher Komponist ist, sondern wie jeder andere Komponist von Rang auch international beeinflußt wurde. In diesem Zusammenhang steht die Dissertation von Melanie Kleinschmidt „Der hebräische Kunstgeschmack“, Lüge und Wahrhaftigkeit in der deutsch-jüdischen Musikkultur“. In ihrer Arbeit geht sie von Wagners Artikel „Das Judentum in der Musik“ aus, einem Werk, das Wagner erst unter einem Pseudonym veröffentlichte, bevor er es, bezeichnender Weise nach dem  Tode Meyerbeers, unter eigenem Namen veröffentlichte. Kleinschmidt stellt diesen Artikel glücklicherweise nicht als solitäres Ereignis dar, sondern in eine größere Antisemitismusdebatte der Zeit. Zur Einordnung ihrer Arbeit sei erwähnt, daß Meyerbeer Wagner nicht nur in Paris förderte, sondern auch später in Berlin, aber auch, daß laut Dahlhaus´ im Wagner-Handbuch von 1986 veröffentlichter Artikel  Meyerbeers Einfluß auf Wagner bis in den „Parsival“ hineingeht.

 

Zu Beginn ihrer Arbeit setzt sie sich mit den Begriffen Authentizität, Epigonalität, Originalität und Wahrhaftigkeit auseinander. Diese Begriffe kamen im 19. Jahrhundert auf und stehen in engen Zusammenhang mit dem Begriff des Geniekults, der ebenfalls zu dieser Zeit populär wurde. Die drei positiv besetzten Begriffe Authentizität, Originalität und Wahrhaftigkeit gehören für Kleinschmidt eng zusammen, bezeichnen diese Begriffe doch einen Stil, der nach einem wahrhaften, neuartigen und einmaligen Ausdrucksvermögen strebt. Demgegenüber bezeichnet der negativ konnotierte Begriff der Epigonalität einen Stil, der sich einfach nur darin erschöpft, bekannte Stile zu imitieren, ohne wirklich neues zu schaffen, und der damit nicht wirklich originell und neuartig ist. Diese Autorin weißt allerdings zu Recht darauf hin, daß sich jeder Komponist zumindest in seinen Lernjahren an älteren Komponisten orientiert und damit auch deren Stil übernimmt. Und auch in Werken, die zur Hauptphase des jeweiligen Komponisten gehören, lassen sich häufig Anleihen an ältere Kompositionsformen finden, so daß das geschilderte Gegensatzpaar eigentlich obsolet und nur dem Geniekult des 19. Jahrhunderts geschuldet ist. Und auch Richard Wagner steht in dieser Tradition, Altes mit Neuem zu verbinden und die Traditionen verschiedener Länder verbindend, hat seine internationale Einbindung aber immer auch dem Gedanken des Geniekultes folgend verschleiert.

 

Ein weiterer Aspekt, auf den diese Autorin zu Recht eingeht, betrifft den der nationalen Schule. Unter dem Begriff versteht man die Vereinnahmung von Künstlern im Rahmen der Nationalstaatenbildung des 19. Jahrhunderts, bei der Komponisten wie Verdi oder Wagner als Heroen ihres jeweiligen Landes stilisiert wurden. Kleinschmidt führt zu Recht und die Fachliteratur zu diesem Thema paraphrasierend aus, daß es allerdings keinerlei innerkünstlerischen Parameter gibt, anhand derer man festlegen könnte, was denn nun ein nationaler Stil sei. Ein gutes Beispiel ist Meyerbeer, der deutsche, italienische und französische Opern schrieb und damit in der Tradition Mozarts steht, der auch italienische Opern und deutsche Singspiele verfaßte. Manche Komponisten waren nur in der Lage, dieses einzugestehen, andere weniger, und viele wurden im Rahmen der Nationalstaatenbildung dazu gebraucht, als Aushängeschild für die entstehenden Nationalstaaten herzuhalten, ohne daß es dafür wirklich valide kompositorische Gründe gab. Daß diese Entwicklung von manchen Komponisten aus wirtschaftlichen Interessen gefördert wurde, gehört in diesen Zusammenhang. Daß international ausgerichtete Komponisten wie Meyerbeer aber auch Mozart vor diesem Hintergrund ausgegrenzt wurden, ist eine rein politische Einschränkung ihrer Rezeption, die bar jeglicher faktisch/ kompositorischen Gegebenheiten ist. Daß die mit dem Aufkommen des Geniekults verschleierte Traditionslinie, in denen die Komponisten stehen, verdeckt wird, leistet der Einordnung der Musiker in eine nationale Schule noch Vorschub.

Kloiber Handbuch der Oper

ISBN 9783476025869

Das Handbuch der Oper von Kloiber, das inzwischen in mehreren aktualisierten Auflagen erschienen ist, ist der mit Abstand übersichtlichste und inhaltsreichste Opernführer, der auf dem Markt ist. Er enthält nicht nur eine Vielzahl von Werkbeschreibungen sehr bewußt auch unbekannterer Werke und Informationen zu der Entstehung der Werke, sondern gibt auch Informationen zur Besetzung und zur Orchesterbehandlung. Zusätzlich enthält er Informationen zu Besetzungsvarianzen und zu den einzelnen Stimmgattungen, was auch dem interessierten Laien ermöglicht, die konkrete Besetzung des jeweiligen Abends einschätzen zu können. Gerade durch die Übersichtlichkeit ist er auch für Laien, die sich für das Musiktheater interessieren, unbedingt empfehlenswert.

Die Sinfonien Hans Werner Henzes

Benedikt Vennefrohne

ISBN 978-3487130637

Anhand der ausgewählten Sinfonien eins, zwei, sieben und neun stellt Vennefrohe die Entwicklung dieser Gattung bei Hanz Werner Henze überblicksmäßig dar. Dabei stellt er die Sinfonien nicht nur in die Entwicklung der Gattung bei Henze, sondern auch in die Entwicklung der Gattung nach dem zweiten Weltkrieg. Gleichzeitig versucht dieser Autor, die Beeinflussung Henzes durch Gattungsnormen wie auch andere Komponisten aber auch die Eigenleistung dieses Komponisten bei der Entwicklung dieser Gattung in der Nachkriegsmusik darzustellen. Zu dieser Darstellung gehört nicht nur der Einfluß, den insbesondere Beethoven auf Henze und insbesondere auf die 9. Symphonie Henzes darstellt, sondern auch der Einfluß, den Henze auf die jüngere Komponistengeneration ausübt. Von Vorteil ist, daß der Autor in einem abschließenden Kapitel eine gute Zusammenfassung gibt, die sich gerade durch bedenkenswerte Querverbindungen auszeichnet. Vennefrohe schreibt dabei allgemeinverständlich, ohne auf die notwendige Fachterminologie zu verzichten.

Vivaldi und seine Zeit

Siegbert Rampe

ISBN 978-3-890007-468-9

Antonio Vivaldi gehört zu den wichtigsten Komponisten der ersten Hälfe des 18. Jahrhunderts. Der Reihe „Komponisten und ihrer Zeit“ folgend zeichnet Rampe das Leben dieses Komponisten nach und vermischt dabei biographische Daten mit Aspekten zu Vivaldis Werken. Dabei steht die Musik dieses Komponisten nicht im luftleeren Raum, sondern wird in die sozialen Umstände der Zeit zurückgebunden. Zu diesen Umständen gehört das Musikleben Venedigs dieser Epoche, aber auch die allgemeinen Ausbildungsmöglichkeiten der Zeit wie Vivaldis persönlicher Ausbildung, aber auch die Frage, unter welchen Umständen Musik gefördert wurde und entstand. Da Vivaldi neben seiner Ausbildung als Musiker auch eine Ausbildung zum Priester absolvierte, geht Rampe auch auf die Kirchenströmungen der Zeit und Venedigs Sonderstellung im kirchlichen Gefüge ein, aber auch, wie diese Ausbildung auf Vivaldis Werk zurückwirkt. Ähnliches gilt für Vivaldis Musikunternehmertum, kann die Entstehung von Kunst doch nicht losgelöst von den Bedingungen gesehen werden, in denen sie entsteht. Rampe benennt und vernetzt in seiner Monographie damit die unterschiedlichen Aspekte, die in dem Leben dieses Komponisten eine Rolle spielen. Das Buch ist gut lesbar und spannend geschrieben.

Sal. Oppenheim jr. & Cie
Kulturförderung im 19. Jahrhundert

Viola Effmert

ISBN 9783412253059

Das Kölner Bankhaus Oppenheimer gehörte nicht nur zu den angesehenen Banken dieser Stadt, sondern auch zu den wichtigen Kunstförderern, die ihre Zuwendung nicht nur an ihre Gemeinde sondern auch an die Stadt als Gesamtheit wendeten. Die Kölner Oppenheimer trugen durch ihr mäzenatisches Handeln entscheidend dazu bei, daß das Bürgertum sich für seine Stadt und seine Gemeinschaft interessierte und sich ideel wie finanziell für diese einsetzte. Effmert geht der Frage nach, wie sich das mäzenatische Handeln der Oppenheimer konkret auf ihre Heimatstadt auswirkte. Die Autorin beleuchtet in ihrer Diss dabei die historische Entwicklung der Oppenheimerschen Kulturförderung aber auch die komplette Bandbreite von der Förderung der Gemeindearbeit hin zur Förderung von Musik und Museen der Stadt. Dabei ordnet sie die Geschichte der Firma in die Bankengeschichte wie in das mäzenatische Handeln der Zeit und deren Entwicklung ein. Auch soziologische Fragen vergißt Effmert nicht, zu denen auch gehört, daß im katholischen Köln Protestanten ähnliche Anfeindungen wie Juden ausgesetzt waren, da beide kleinen Minoritäten angehörten. Die Arbeit ist quellen- und faktenreich und dabei gut lesbar. Gerade, daß diese Autorin die Entwicklung mäzenatischen Handelns über mehrere Generationen hin zeichnen, stellt eine Stärke dieser Arbeit dar, auch, weil sie nachweisen kann, daß sich das mäzenatische Handeln nach der Konvertierung der Oppenheimer nicht verändert, was auch bedeutet, den jüdischen Einsatz für die Kölner Kultur auch in die christlichen Gemeinden reinzutragen.

Giacomo Meyerbeers
„Le Prophete“
Essener Philharmoniker
Aalto-Musiktheater
Giuliano Carella

Die Renaissance Meyerbeers, die von der Deutschen Oper ausging, hat nicht nur eine steigende Zahl von Publikationen zu diesem Komponisten zur Folge, sondern auch eine steigende Zahl von Aufführungen an verschiedenen Häusern, aber auch eine steigende Zahl von qualitativ hochwertigen Einspielungen. Eine dieser Einspielungen ist die Einspielung von „Le Prophete“ mit den Essener Philharmonikern und dem Aalto-Musiktheater, der ersten Einspielung, die den betreffenden Band der kritischen Gesamtausgabe zur Grundlage nimmt und sich damit nicht auf die Unzahl mehr oder weniger schlechten Überlieferungen beruft, sondern alleine schon durch das Notenmaterial gewährleistet, sich der Urfassung getreu zu nähern.

 

Die Essener Philharmoniker werden bei der Orchesterbehandlung ihrem Ruf als traditionelles Uraufführungsorchester (z.B. Gustaf Mahlers 6. Symphonie unter dem Dirigat des Komponisten, z.B. deutsche Erstaufführung von Richard Strauss „Till Eulenspiegel“ unterm Dirigat des Komponisten) gerecht – die Orchesterführung ist der komplexen Partitur an jeder Stelle angemessen, auch bedingt durch das saubere Dirigat Giuliano Carellas. Aber auch Chor und Solisten des Aalto-Musiktheaters werden der Partitur durch saubere Stimmführungen und gute Interpretationen durchaus gerecht, obwohl das Werk bei Aufnahme nicht zu den Repertoirestücken gehörte, sondern diese Leistung, die der der Berliner Bühnen gleichwertig ist, nur durch eine gute und präzise Einstudierung aller am Produktionsprozeß beteiligten möglich wurde. Dazu gehört auch, daß die Solisten den schwierigen Partien zu jedem Zeitpunkt gerecht werden, und den Rollen und deren Ansprüche entsprechend besetzt wurden. Die Einspielung stellt damit ein wichtigen Schritt bei der Renaissance eines Komponisten dar, der zu den erfolgreichsten Komponisten des 19. Jahrhunderts gehört und der Wagner bis in dessen „Parsifal“ hinein positiv beeinflußt hat. Gerade viele Details sind es, die die Aufnahme hörenswert machen, wozu auch gehört, daß kurze Passagen der kritischen Gesamtausgabe entsprechend auf Deutsch gesungen wurden, obwohl dieses Werk des Berliners Meyerbeer selbstverständlich auf französisch einstudiert wurde. Aber das nur als ein Beispiel für die differenzierte und gute Umsetzung dieses Werks, das diese Einspielung wert macht, in jeder gepflegten CD-Sammlung zu stehen. Bedauerlich ist nur, daß die Oehms Classik diese verdiente Einspielung nicht mehr auflegt, damit den Vertrieb behindernd, wissend, daß es noch genügend Kunden gäbe, die diese CD kaufen würde.

Edgar Allan Poe und die Harfe
Julia Wacker
Petra Auer
Galatea-Quartett

Bei dieser CD wechseln sich Stücke für Harfe Solo, Harfe mit Quartett und gesprochene Texte von Edgar Allan Poe ab. Die Texte Poes sind damit mit musikalischem Material unterlegt, das allen komponierten Stücken entnommen ist. So entsteht nicht nur durch die Besetzung aller Stücke mit Harfe ein musikdramaturgischer Zusammenhang, sondern gleichermaßen auch die Übernahme des musikalischen Materials der rein instrumentellen Stücke für die gelesenen Teile. Durch diese Anlage brechen die Künstler auch das klassische Format der Lesungen aber auch der Kammerkonzerte auf, da sie beide Aspekte miteinander verbinden, ein Aspekt, der nicht nur auf Tonträgern sondern auch im Konzert vermittelt wird. Gerade diese Flexibilität der musikalischen Disposition zeigt, daß die Harfe, die als Soloinstrument im normalen Konzertrepertoire nur bedingt präsent ist,  wert wäre, stärker auch solistisch auftreten zu können, ein Grund, wieso auch diese CD es wert ist, in jede gepflegte Sammlung aufgenommen zu werden. Ich selber habe zumindest viel über die Harfe als Soloinstrument gelernt.